Als ich am Morgen den Speisesaal betrat und die Nudelsuppe roch, musste ich den Saal schnellstens wieder verlassen – heute also kein Frühstück für mich. Manager Wang war an diesem Morgen auch nicht der schnellste und so dauerte es, bis er uns seinen geliebten botanischen Garten und die Lehr-Pavillons mit verschiedenartigsten Pflanzen und Tieren der Region gezeigt hatte.
Die eigentlich recht gar nicht so weite Fahrt zur Grenze wurde durch 2 längere Pausen (erst an einem schönen, aber verregneten Rastplatz und später in der Grenzstadt auf chinesischer Seite) zeitlich reichlich gestreckt. So passierten wir die chinesische Grenzkontrolle (erst wir mit Gepäck, dann wir mit den Rädern) unerwartet schnell. Die Zöllner schauten uns zwar sehr kritisch an und wir mussten unsere Köpfe so lange vor einer Kamera drehen und den Gesichtsausdruck entsprechend anpassen, bis das Kamerabild mit dem gescannten Passbild möglichst deckungsgleich war, doch dann bekamen wir alle nötigen Stempel in den Pass gedrückt.
Vietnamesische Händler auf dem Weg zur Grenzkontrolle:
Weiter ging es zu Fuß mit Rad und Gepäck auf einer langen Brücke über den roten Fluß zur vietnamesischen Grenzkontrolle. Auch dort war nicht allzu viel Betrieb bei der Personenkontrolle und so hofften wir auf eine schnelle Einreise. Günther und Dietmar passierten die Kontrolle bei dem sichtlich lustlosen Grenzbeamten auch ziemlich schnell, doch dann ging mindestens 90 Minuten nichts mehr. Viele Chinesen, Vietnamesen und einige Touristen anderer Länder durften die Grenze passieren, nur wir mussten warten. Da keiner von uns vietnamesisch sprach, erfuhren wir auch nicht den Grund für diese Verzögerung und vor allem ich wurde innerlich ziemlich sauer. Dominik und Tine ermahnten mich aber zur Ruhe, da wir sonst wohl heute nicht mehr über die Grenze kommen würden. Vermutlich hat dann unser vietnamesischer Reiseleiter auf der anderen Seite der Grenzkontrolle ein „Mittel“ gefunden, welches uns das Passieren der Grenzkontrolle ermöglichte. Angeblich war die Internetleitung des PC’s des Grenzbeamten zusammengebrochen und so konnte dieser unsere Reisepässe nicht mit einem zentralen Register abgleichen. Ohne diese Möglichkeit keine Einreise – so einfach war das. Ich weiß nicht, ob schon mal jemand auf der Brücke im Niemandsland zwischen China und Vietnam übernachten musste…
Nach erfolgreicher Einreise und Begrüßung des vietnamesischen Reiseleiters Duon (der hatte an der Bergakademie Freiberg studiert und sprach sehr gut deutsch) beschlossen die ganze Gruppe trotz der weit fortgeschrittenen Zeit die Bergetappe nach Sapa in Angriff zu nehmen. Dass bedeutete 35 km aufwärts mit bis zu 20% Steigung und ca. 1800m Höhenunterschied zu überwinden, ohne wirkliche Erholungsmöglichkeit. Außerdem drängte die Zeit, da es kurz nach 17 Uhr dunkel werden würde und da unsere Räder kein Licht hatten, wäre dann eine Weiterfahrt sehr gefährlich. Dietmar und Dominik wollten die Strecke unbedingt vor Einbruch der Dunkelheit geschafft haben und legten ein hohes Tempo vor, dem die anderen sehr bald nicht mehr folgen konnten. So zog sich die Gruppe wieder mal stark auseinander und jeder kämpfte gegen den inneren Schweinehund. Glücklicherweise gab es die Zusage, dass uns Duon später mit einem LKW einsammeln wollte, falls wir die Strecke doch nicht rechtzeitig meistern würden. So strampelten Tine und ich still und verbissen bergauf. Da aber meine Muskeln immer härter wurden und ein Krampf drohte, schob ich das Rad immer mal wieder einige Meter. Manchmal war ich schiebender Weise fast schneller als meine unaufhörlich strampelnde Tine.
Besonders schwierig war das Schalten unter Volllast, da die Steigung zwischen ca. 10 bis maximal 20% wechselte. Meine Kette hatte nach weniger als der halben Strecke genug und riss plötzlich. Zum Glück führte das nicht zum Sturz, ich verletzte mich nicht und ca. 100 m weiter sah ich am Straßenrand so was Ähnliches wie eine Werkstatt. Also bat ich dort in Zeichensprache um Hilfe und in der Mopedwerkstatt fand sich tatsächlich ein handwerklich sehr geschickter Mechaniker, welcher nur mit einem großen Hammer und einem Amboss die Kette wieder vernietete. Problematisch war nur die Verabschiedung, da ich die Reparatur nicht bezahlen konnte, wir hatten keinerlei Geld dabei, da wir erst abends in Sapa vietnamesische Dong abheben wollten. Es war nicht einfach (man wollte mich daran hindern) und auch reichlich „unhöflich“ von mir, die Werkstatt ohne Bezahlung zu verlassen.
Wir fuhren schleunigst weiter bergauf und kamen allmählich in die Wolken und damit in kalten Nieselregen. Nach der unfreiwilligen Pause an der Werkstatt waren wir die letzten der Gruppe und kämpften uns noch bis ca. Kilometer 25 nach oben. Dann kam uns der LKW mit dem Vietnamesischen Reiseleiter entgegen und bot uns an, den Rest des Berges mit Motorkraft zurückzulegen. Auf dem weiteren Weg sammelten wir dann nach und nach die anderen Mitradler ein, nur Dietmar wollte erst nicht einsteigen. Ganz vorn fuhr Dominik, der kurz vor Sapa auch in den LKW stieg. Aufgrund der Dunkelheit fuhren wir noch mal abwärts Dietmar entgegen und diesmal stieg er unterdessen frierend freiwillig ein. Es war schon fast dunkel und er hatte keine Jacke dabei, da er als einziger seine Radltasche dem Gepäcktransport mitgegeben hatte. Es war stark neblig und stockdunkel, als wir alle im LKW in Sapa ankamen, auch im Ort ging es noch einige Kilometer bergauf und alle waren froh, als der LKW endlich vor einem respektablen Hotel anhielt. Es regnete unterdessen stark und wir mussten noch unser Gepäck und die Räder trocken unterbringen. Diese Bergetappe hatte wirklich viel von jedem abverlangt. Nach dem Einchecken in die luxuriösen und sehr großen Zimmer aus der französischen Kolonialzeit ging es dann noch zum Abendmahl in ein schönes kleines Restaurant in der Nähe des Hotels, wo wir den Abend mit gutem Essen, Bier und sogar Rotwein beendeten. Tine und ich schliefen danach wie Steine und wir erwachten am nächsten Morgen mit etwas Muskelkater.
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