Dieser Tag in Sapa sollte zu einem Härtetest für unsere Stimmung und die Dichtheit unserer Regenjacken werden. Bereits der morgendliche Blick aus dem Hotelfenster zeigte nicht das viel gerühmte Bergpanorama sondern eine einheitlich dunkelgraue Nebel-Fläche.
An meinen Beinen zeigten sich mehrere rote Flecken, die wir später als Flohbisse identifizierten. Vermutlich hatte ich mir in der Wohnanlage für Kraftwerksarbeiter einen Floh eingefangen und mit dem Schlafanzug unabsichtlich mit über die Grenze geschmuggelt. Es sollte einige Tage dauern, bis ich den wieder vertrieben hatte. Beim guten europäischen Frühstück mit Baguette, Käse, Rührei, mit Bananenstücken und Honig gefüllten Pfannkuchen und vielen anderen Leckereien diskutierten wir über den möglichen weiteren Tagesablauf. Mindestens bis Mittag sollte es weiter intensiv regnen. Damit war an eine Radtour auf einen nahen Berggipfel nicht mehr zu denken. Außerdem hatten alle noch ziemlich schwere Beine von der gestrigen Bergetappe. Noch wollten wir uns aber nicht geschlagen geben und planten für den Nachmittag eine Rundwanderung in die nähere Umgebung von Sapa.
Vormittags wurde eine Ortsbesichtigung des früher von französischen Kolonialherren gebauten Höhenkurortes mit vielen luxuriösen Berg-Hotels und noch mehr Geschäften vorgesehen und in Angriff genommen. Draußen war es unglaublich nass. Der intensive, sehr feine und dichte Nieselregen schien aus allen Richtungen gleichzeitig zu kommen und auch auf allen Straßen und Wegen flossen mehr oder weniger flache Bäche. Wir besichtigten eine alte französische Hotelanlage, welche allerdings in sozialistischer Zeit ziemlich gelitten hatte und auch jetzt noch ohne Gäste im Dornröschenschlaf lag, da der Staat als Eigentümer wenig Interesse an einer Sanierung zu haben scheint. Es gab aber viele andere, privat geführte französische Häuser und Hotels, die längst ihren neuen Glanz erhalten hatten.
Unsere Schuhe waren innerhalb von Minuten durchweicht und da die Temperatur zumindest gefühlt deutlich unter 10 Grad lag, begannen wir bald zu frieren und mussten häufig zum Aufwärmen Zwischenstation in den zum Glück reichlich vorhandenen Kaffeehäusern, Bäckereien oder Restaurants machen. Wir tranken den von Dietmar schon vorher mit viel Lob bedachten vietnamesischen Kaffee. Dieser ist extrem stark und der bittere Geschmack wird mit viel süßer Kondensmilch abgemildert. Leider führt die Zubereitung per Tassenfilter auch dazu, dass der Kaffee auch sehr schnell kalt wird und nicht heiß getrunken werden kann. Ich konnte mich für diesen Kaffee nicht besonders begeistern, auch wenn er den Kreislauf kurzfristig mächtig in Schwung bringt.
Wir hielten uns an diesem Vormittag lieber unter Dächern – zum Beispiel auf einem großen Markt -auf, als direkt im grauen Nieselregen. Im Markt kauften wir auch T-Shirts für den vietnamesischen Teil der Reise.“Good Morning Vietnam“ steht in großen Lettern auf diesen Shirts. Die einheimische Bevölkerung war für so ein Wetter deutlich besser gerüstet. Die Menschen trugen Gummistiefel zu ihrer bunt bestickten, schwarzen Filzbekleidung und hatten riesige, durchsichtige Regenschirme dabei. Diese Schirme reichten teilweise bis weit unter Schulterhöhe, um den Oberkörper gut vor dem Regen zu schützen.
Mittags beschlossen wir dann auch auf die Wanderung in die Umgebung Sapas zu verzichten. Alle nicht asphaltierten oder zementierten Wege waren völlig durchweicht und damit nicht mehr mit normalem Schuhwerk passierbar. So erhielten wir einen Nachmittag zu freien Verfügung, den manche in der Hotelsauna und wir in den Geschäften verbrachten. Im Ort gibt es sehr viele Outdoor-Läden mit Artikeln von renommierten Herstellern, wobei „Northface“ überdurchschnittlich vertreten war. Jegliche Art von Outdoor-Textilien und -Schuhen war in diesen Läden ausgesprochen billig zu bekommen, teilweise für 10% des Preises, der in Europa üblicherweise gezahlt wird. Die Waren werden laut Etikett in Vietnam gefertigt und konnten vermutlich deshalb so billig angeboten werden. Allerdings handelte es sich meist um Restposten, Einzel- oder Musterstücke, welche nur in wenigen Größen erhältlich waren. So kaufte ich schließlich nur ein T-Shirt für 5€. Die vielen sehr guten Zwei- und Dreifachjacken für 40,- bis 70€ waren zwar auch sehr schön, doch wir hätten sie nicht transportieren können und eigentlich sind wir diesbezüglich schon ganz gut ausgerüstet. Unsere dünnen und leichten Regenjacken bestanden den Härtetest jedenfalls mit Auszeichnung. Nur nützte das wenig, da die Hosen immer wieder reichlich nass wurden, in warmen Räumen allerdings auch schnell wieder trockneten.
Abends führte uns unser vietnamesischer Guide in ein einheimisches Lokal und bestellte dort die Spezialität „vietnamesischer Feuertopf“ – einen Eintopf mit Pferdefleisch, Nudeln und vielen unterschiedlichen Gemüsen, die meistens aus Blättern bestanden. Das Fleisch war zwar etwas zäh, doch sonst schmeckte und das Essen gut. So konnten auch die widrigen Bedingungen dieses Tages unsere Stimmung nur wenig anhaben.
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